Merkwürdig, einige unserer kleinen Raubtiere sind an den gefiederten Mitgeschöpfen auf dieser Erde völlig uninteressiert, andere dagegen geraten in beste Jagdlaune, sowie irgendetwas auftaucht, was sich durch die Luft bewegt, egal, ob Vogel, Biene, Wespe oder Libelle. Auch sehr beliebt sind Heuschrecken.
Mein Eclair gehört zu der ersten Sorte von Katzen. Die Drosseln können neben ihm im Garten sitzen und die Regenwürmer aus dem Rasen picken, es interessiert ihn absolut nicht. Ich habe schon beobachtet, dass eine Drossel direkt vor seiner Nase saß..
Die meisten Stubentiger dagegen empfinden eine heiße Liebe zu allen fliegenden Lebewesen. Es vergeht kein Sommer, ohne dass sich nicht eines meiner Herzchen einen Bienen-, Wespen- oder Hummelstich zugezogen hat. Hundert mal kann man ihnen sagen, von den Blüten wegzubleiben. Beim hundertundeinen Mal ist es dann doch passiert. Ergebnis: Elefantenpfote. Solange es bei der Elefantenpfote bleibt, geht es ja noch. Aber ich habe immer eine Heidenangst, dass jemand von den kleinen Herrschaften auf die Idee kommen könnte, direkt in die fliegenden und brummenden Ungeheuer hineinzubeißen. Ich habe schon extra nur sehr wenig Blumen in meinem Garten, damit nichts passiert, aber es wäre wohl etwas schwierig, den gesamten Garten mit einen Fliegendraht zu versehen.
Zwei von meinen Mädchen hatten sich übrigens, nachdem sie zu wiederholten Malen unangenehme Erfahrungen mit diesen summenden und stechenden kleinen Dingern gemacht hatten, auf Libellen und Heuschrecken spezialisiert. Bei einer dieser gemeinsamen Aktionen, genannt „Libellencatchen“ landete dann meine Orientalin „Nine“ mit einem sehr eleganten „Bauchklatscher“ im Teich, denn ich habe vier kleine Teiche in meinem Garten und war schwer beleidigt, als ich anfing zu lachen.
Ihrer Enkeltochter Intschi dagegen hatten es die Drosseln angetan. Sind ja auch dreiste kleine Zeitgenossen!
Eines schönen Abends, wir saßen im Garten und genossen die Abendsonne, tauchte eine besonders freches Exemplar auf, landete zunächst mitten auf dem Rasen und begann nach Regenwürmern und anderen Insekten zu suchen. Intschi saß schon in Jagdstellung, lang gestreckt, flach, das Hinterteil wackelte. Just in dem Moment, als Intschi angreifen wollte, flog die Drossel auf, ein paar Meter weiter und begann, meine Intschi rund um den Garten zu locken. Intschi nutzte alle Deckungen, ging sehr behutsam vor, wartete, um zum Sprung ansetzen zu können. Aber jedes Mal, wenn sie soweit war, flog die Drossel ein paar Meter weiter. Mit schräg gelegtem Kopf äugte sie zu Intschi hinüber. Sie wusste genau, dass dort eine Katze war und machte sich offensichtlich einen Spaß daraus, die Katze zu foppen. Das zu beobachten, war spannender als jeder Fernsehkrimi. Ich hätte gern gewusst, was dieser kleine Flattermann sich so bei der ganzen Geschichte gedacht hat. Die Drossel lockte Intschi, die blind vor Jagdeifer war, in den Teich hinein.
Mit beiden Vorderpfoten stand sie im Teichrand, um nur ja nicht die Drossel, die gerade wieder ein paar Meter weitergeflogen war, aus den Augen zu verlieren. Intschi registrierte kein Wasser mehr, sondern nur noch „Drossel“. Wir beide verhielten uns mucksmäuschenstill und beobachteten die bühnenreife Vorstellung. Intschi gab nicht auf, bis es dann offensichtlich der Drossel irgendwann zu dumm wurde, sie aufflog und sich davonmachte. In einem letzen verzweifelten Sprung versuchte Intschi sie dann doch noch zu erwischen, was natürlich nicht gelang.
Mein alter Manni dagegen war da schon sehr viel erfolgreicher. Eines schönen kalten Wintertags – es lag für unsere Verhältnisse viel Schnee und ich hatte Manni gerade ein bisschen geärgert, indem ich ihn in den Schnee gesetzt hatte, was meine Katzen gar nicht lieben und damit quittieren, dass sie pfotenschüttelnd sofort ins Haus zurückkehren, ließ ich die Haustür geöffnet, um eben mal schnell zum Mülleimer zu gehen. Im Winter musste ich ja keine Angst haben, dass meine Helden stiften gehen. Als ich zurückkam, saß mein Manni mit einer Drossel in „Schnabel“ im Eingang. Die Drossel war bereits tot. Er muss also in einer Blitzaktion den Vogel geschnappt haben. Da ich zunächst natürlich annahm, der Vogel könnte noch leben, versuchte ich ihm das Tier abzunehmen, was er damit quittierte, dass er seinen Biss verstärkte. Also blieb mir nichts anderes übrig, als ihn mitsamt der Drossel unter den Wasserhahn zu halten. Dann endlich ließ er los und ich konnte die Drossel zwar nicht mehr retten, aber „entsorgen“. Schließlich war ich auch nicht scharf auf Milben und einen verdorbenen Magen. Nach der Wasseraktion war Manni damit beschäftigt, sich zu putzen und ich durfte tausende von kleinen Drosselfedern einsammeln.
Im Frühjahr versuche ich immer zu verhindern, dass Vögel in meinem Garten brüten. Aber in einem Jahr hatte doch ein Drosselpärchen sich einen meinen Büsche ausgesucht und die Eier lagen schon im Nest, als ich es entdeckte. Also versah ich den Busch mit einem Schutzdraht. Es ging auch alles gut, bis zu dem Zeitpunkt, als die Kleinen flügge wurden. Drosseln sind bekanntlich Nestflüchter, d.h. wenn sie das Nest verlassen, können sie noch nicht richtig fliegen. Als ich mitbekam, dass die Kleinen das Nest verlassen hatten, war es schon zu spät, meine Schnute hatte sich das erste Vogelbaby gegriffen. Um wenigstens die anderen Drosselkinder zu schützen, wurden Manni und Schnute bei den Spaziergängen nach draußen an die Leine gelegt. Joschka und Farina interessierten sich nicht für Vögel. Außerdem ging ich immer zuerst nach draußen, klatschte in die Hände und schrie lauthals, damit die Kleinen Zeit hatten, sich in Sicherheit zu bringen. Trotzdem hat Schnute es geschafft, sich aus dem Geschirr herauszuwinden und sich das zweite Vogelkind in Sekundenschnelle zu schnappen. Keine Zeit für einen langsamen Menschen einzugreifen. In Windeseile verschwand sie damit im Haus und unter meinem Bett. Es dauerte einige Zeit, bis wir es geschafft hatten, Schnute unter dem Bett hervorzuholen und ihr das tote Drosselkind abzunehmen. Nur das dritte Drosselkind hat überlebt, weil meine Vier dann doch für eine Woche „Stubenarrest“ bekommen haben.
Ich bin der festen Überzeugung, die Drossel, die meine Intschi so geschickt zum Narren gehalten hat, muss ein Nachfahre jenes Drosselkindes gewesen sein.