Mäusegeschichten

Nicht, dass ich Mäuse besonders liebe, schließlich knabbern sie alles an, was irgendwie fressbar erscheint, andererseits ist so eine kleine Hausmaus ein possierliches Tierchen und ich bin deshalb nicht scharf darauf, dass meine Minitiger sich als große Jäger betätigen.

Meine Katzenbande sieht das natürlich völlig anders.

Als ich vor ca. 10 Jahren in mein Haus einzog, waren die Grundstücke hinter meinem Garten noch unbebaut, ein idealer Tummelplatz für alle möglichen Tiere.

Eines schönen kalten Wintertags saß ich unten im Wohnzimmer, als ich plötzlich in der Wohnzimmerdecke kleine Pfötchen laufen hörte. Ich muss dazu sagen, dass ich eine abgehängte Holzdecke habe mit einem Zwischenraum zur Geräuschdämmung. Meine Vier standen mit gespitzten Ohren und fegten dem Getrappel der kleinen Pfötchen hinterher, ohne Rücksicht auf Verluste. Eine Vase ging dabei zu Bruch, etliches wurde umgestoßen, immer dem Geräusch nach. Was sollte ich tun?? Jeden Nachmittag gab es jetzt das gleiche Theater: Scharren, knabbern, trippeln und meine Vier mit gespitzten Ohren von den Küchenschränken über den Raumteiler auf den Wohnzimmerschrank und wieder zurück und das stundenlang. Vor allem Schnute gab es nie auf, doch noch irgendwie an die Mäuschen zu kommen. Wie die kleinen Biester in die Wohnzimmerdecke hineingekommen sind, ist mir bis heute ein Rätsel. Die einzige Möglichkeit für uns, an den Zwischenraum zu gelangen, war die Deckenstrahler herauszuschrauben. Genau das taten wir auch. Wir schoben in jeden Deckenstrahler eine Mäusefalle mit etwas Käse darin. Einen Tag später hörte ich wieder die kleinen Pfötchen und – klapp-, eine der Fallen war zugeschnappt. Jetzt hatten wir aber erst recht ein Problem, denn keiner von uns wollte die Deckenstrahler wieder öffnen und ausprobieren, in welcher Falle denn nun eine Maus saß, denn die Wahrscheinlichkeit, dass man in eine offene Falle griff, war ziemlich hoch. Schließlich und endlich entschloss sich mein Freund, die Fallen mit einem Stock zu entschärfen und wir konnten ein totes Mäuschen entfernen. Die Fallen wurden wieder gespannt und ein paar Tage später ging die nächste Maus in die Falle. Und von da an war Ruhe in meiner Wohnzimmerdecke.

Loufi (eigentlich heißt er Filou), mein Havannakater, liebte es, mit seinen Stoffmäuschen zu spielen. Und ich sorgte dafür, dass immer welche vorhanden waren. Meistens überlebten sie die erste halbe Stunde höchstens ziemlich ramponiert, denn nächsten Tag in der Regel überhaupt nicht mehr. Häufig blieb nur noch die Plastikeinlage übrig, die sich aber auch gut zum Spielen eignet.

Ich muss sagen, kleine Mäuschen sind offensichtlich nicht die klügsten. Im letzten Winter, es muss kurz nach Weihnachten gewesen sein, kam ich morgens zu meinem Loufi nach unten, um ihn zu füttern. Ich hörte ein Fiepen, dachte mit aber nichts dabei, zumal ich morgens nach dem Aufstehen ohnehin Schwierigkeiten habe, mich in der Welt zurechtzufinden. Auch bin ich immer davon ausgegangen, dass eine Maus nicht so dumm ist, sich zu ihrem Erzfeind zu begeben, auch, wenn es draußen kalt ist. Als ich dann abends zu meinem Loufi hinunterging um mit ihm zu schmusen, entdeckte ich ein Stoffmäuschen in seinem Trinknapf. Zunächst achtete ich nicht weiter darauf. Ich macht Loufis Klo sauber und dann wollte ich das Stoffmäuschen aus dem Trinknapf entfernen. Leider sehe ich ohne Brille nicht mehr besonders gut. Aber eines konnte ich doch erkennen, dass diese Stoffmaus noch ihren Schwanz hatte, ungewöhnlich. Denn normalerweise überlebt der Schwanz der Stoffmäuse nicht die ersten fünf Minuten. Ich schaute genauer hin und stellte fest, dass diese merkwürdige Stoffmaus auch noch Pfötchen hatte. Da war mir klar, dass es sich um eine echte Maus handelte, die sich todesmutig in die „Höhle des Löwen“ begeben und dabei ihr Leben eingebüßt hatte. Eine kleine Spitzmaus, die Loufi natürlich nicht gegessen hat, dafür aber gut gewässert.

Ich sagte, Mäuse sind nicht die klügsten. Vor einigen Jahren, auch im Winter, hatte ich die Terrassentür einen Spalt breit geöffnet, um etwas frische Luft hereinzulassen. Plötzliche hörte ich das bekannte Fiepen und ein Mäuschen stand in der Terrassentür. Ja, was soll ich noch weiter sagen, gegen vier Spezialisten hatte das kleine Ding keine Chance. Und ich musste wieder einmal sehr schnell sein, um den glücklichen Jäger von seiner Beute abzulenken und das tote Mäuschen verschwinden zu lassen.

Meine alte kleine Schnute, auf der Straße aufgewachsen, war natürlich Spezialist in der Mäusejagd. Eines schönen Tages war sie mir aus dem Garten ausgerissen und verschwunden, Vergeblich alles Rufen und Suchen. Schnute war weg. Ich versuchte mich innerlich an den Gedanken zu gewöhnen, dass meine Schnute das Weite gesucht hatte. Ich befahl mir, ruhig zu bleiben, nicht durchzudrehen. Ich wartete, bemühte mich an etwas anderes zu denken. Schnute blieb verschwunden. Ich tat dies und jenes und jenes und dies – mehr oder minder halbherzig. Ja nicht dauernd in den Garten und auf die Terrassentür starren! Trotzdem ging ich immer wieder nach draußen und rief und suchte. Aber keine Schnute war zu erblicken. Wieder lief jener berühmte Film in mir ab von den überfahrenen, sterbenden Katzen am Straßenrand oder von den Katzen, die von besonders boshaften Mitbürgern gequält, eingesperrt oder getötet wurden. Nein; keine Schnute zeigte sich, so oft sich mein Blick auch in den Garten verirrte.

Endlich nach endlosen Stunden stand meine Schnute plötzlich vor der Terrassentür. Irgendeine Beute hatte sie in ihrem Schnäuzchen. Goldhamster, Maus oder Meerschwein??? Ich konnte es nicht erkennen. Jedenfalls sah es merkwürdig aus. Ich öffnete die Tür und Schnute marschierte mit stolz geschwellter Brust und ihrer Beute in die Küche und auf die Anrichte.

Was, um alles in der Welt hatte sie erbeutet?? Als ich näher kam, musste ich allerdings grinsen. Die große Beute bestand aus einem alten Brötchen, was mein Herzchen offensichtlich irgendwo bei den Nachbarn abgestaubt hatte. Aber jenes Brötchen wurde ganz fachgerecht zerlegt, als handle es sich um die leckerste Maus auf dieser Erde, obgleich Schnute sich sonst aus Brot wahrhaftig nicht das Geringste machte. Kein Krümelchen von dieser hervorragenden „Maus“ blieb übrig und jedes Stückchen wurde gegen die anderen verteidigt als ginge es um das nackte Überleben.

Auch wenn wir unsere kleinen Tiger streicheln können, bleiben sie doch.